Manchmal lassen sich selbst in extrem knappen Projektbeschreibungen riesige Potenziale erkennen. Auch wenn darin kaum mehr steht als "Thermische Ersatzmodelle für Batterien untersuchen". Als Marcel Nöller die Ausschreibung der Profilregion Mobilitätssysteme Karlsruhe 2019 las, gingen ihm sofort die unzähligen technischen Einsatzmöglichkeiten der Anwendung durch den Kopf. Das Thema weckte sein Interesse, weshalb er das Projekt als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am IPEK - Institut für Produktentwicklung am Karlsruher Institut für Technologie übernahm. Die kommerziellen Potenziale entdeckte er erst, als er feststellte, dass sich in der Industrie kaum jemand offen mit dem Thema beschäftigte. Inzwischen steht er gemeinsam mit seiner Forschungspartnerin Yunying Zeng kurz vor der Ausgründung. Mit einem Testverfahren auf Basis von Batteriezell-Ersatz-Modellen (BEM) in der Hand, das nicht nur die Geschäftsgrundlage ihres Start-Ups ZeNo bildet, sondern auch die Entwicklung- und Konstruktionsverfahren rund um Batterien tiefgreifend verändert. Erforscht haben die beiden die Technologie unter anderem im Rahmen des ICM-Projekts INDU7 - SenseBEM.
Ein BEM von ZeNo besteht aus ein paar Folien, Ersatzmateriallagen und Kabeln. Auf den ersten Blick mag es unscheinbar wirken, ist es jedoch nicht. Denn das Modell ermöglicht etwas, das für die kosteneffiziente und nachhaltige Entwicklung von Akkus oder batteriebetriebenen Fahrzeugen, Werkzeugen oder Computern wichtig ist: physische Batterietests ohne Batterie. "Wir können mit den BEM die thermische Gesamtauslegung des Batteriesystems sicher, effizient und ressourcenschonend umsetzen", erklärt Yunying. ZeNo kann mit einem BEM nahezu jede beliebige Batteriezelle nachbilden. Auf dieser Basis können Akkus nicht nur als Einzelkomponente getestet werden, sondern auch ihre Systemintegration ins Endprodukt. Dadurch lassen sich Aussagen über die Auslegung des Thermomanagements, die bestmögliche Konstruktion oder die Verteilung der Zellen treffen.
ZeNo beschleunigt die Entwicklung von Akkus und ihre Systemintegration
Bei rein virtuellen Tests blieben zu vielen Themen nur Annahmen. Physische Tests mit echten Batterien sind hingegen zu teuer, ineffizient und ressourcenhungrig, um damit schon intensiv in Vorentwicklungsstadien zu arbeiten. ZeNo schiebt sich mit seinem Ansatz genau dazwischen. Ihr BEM ermöglicht frühzeitige und kostengünstige physische Tests und verlegt den Einsatz echter Batteriezellen bis zum Beginn der End-of-Line-Erprobungen – mit einem Mehrwert für Kunden und Umwelt. Die Produkte werden besser, ihre Entwicklung günstiger und ressourcenschonender. Denn die Batteriepakete sind oft die teuersten Bauteile von batteriebetriebenen Anwendungen. "Die Akkus sind der Stellhebel, über den sich die Kosten der Elektromobilität am meisten senken lassen und sich die Nachhaltigkeit noch weiter verbessern lässt. Das fängt schon beim Entwicklungsprozess an", sagt Marcel.
Aus dem Unternehmen soll ein agiles Ingenieursbüro werden
Technologisch haben Yunying und Marcel, die seit einigen Jahren am IPEK - Institut für Produktentwicklung gemeinsam an den BEM arbeiten, gerade den Proof of Concept erbracht. Bis zur formalen Gründung dauert es voraussichtlich noch ein halbes Jahr. Erfolgen soll sie aber sicher. Denn die beiden möchten nicht, dass ihre Forschungsarbeit am Ende in irgendwelchen Laborschubladen verstaubt, möchten aber auch nicht bei einem Großunternehmen anfangen. "Wir haben die Verantwortung lieber selbst in Hand, dann wissen wir auch selbst, wo mögliche Probleme und Verbesserungspotenziale zu finden sind", sagt er.
Derzeit arbeiten die beiden Gründer noch an ihren Promotionsprojekten. Die Anstellung als Wissenschaftler bietet ihnen die Sicherheit, um die Ausgründung vorzubereiten. Mittelfristig soll ZeNo ein schlagkräftiges Ingenieursbüro werden, das für einen ausgewählten Kundenkreis BEM auslegt und herstellt oder Testverfahren konzipiert. Die Basis für den Erfolg ist durch das innovative Produkt schon gelegt. Nach der Teilnahme am ICM Early Ride Programm sind auch die nächsten Schritte vorbereitet und der Business Plan ist skizziert. "Für Batterietest gibt es so viel Use Cases, dass in ZeNo noch sehr viel Potential steckt. Sie haben schon beim Demo Day ein Ass aus dem Hut gezaubert und werden uns noch weitere Male überraschen", sagt Alexander Graf von der KIT Gründerschmiede, der das Team ZeNo im Rahmen des ICM Early Ride Programms als Coach betreut hat. Was ZeNo noch fehlt, sind Mitarbeitende oder Mitgründer, die das Profil von Marcel und Yunying ergänzen. "Wir sind beide Ingenieurswissenschaftler. Mit den Bereichen Marketing und Wirtschaftswissenschaften kennen sich andere sicher besser aus", sagt Yunying. Es besteht also noch Raum für Synergien.