In modernen Autos, in Zügen und an Lastenrädern kommen Leichtbauteile aus Aluminiumblechen, Glasfaser- oder sogar Carbonfaserverbundwerkstoffen zum Einsatz. Sie werden alle mit hohem Energieaufwand hergestellt, lassen sich schwer oder gar nicht recyclen und verschlechtern so die Umweltbilanz moderner emissionsarmer Mobilitätsanwendungen. Diesem Nachhaltigkeitsproblem der Mobilitätswende tritt ein dreiköpfiges Team des Instituts für Flugzeugbau (IFB) an der Universität Stuttgart mit Flachsfasern und Bio-Polymer entgegen. Sie haben ein neues Imprägnierverfahren entwickelt, das Naturfaserverbundwerkstoffe zur nachhaltigen, sicheren und stabilen Alternative im Leichtbau macht. Im Rahmen des ICM Transfer Bottom-Up-Projekts "NaturStoff" verfeinern sie seit Anfang 2024 ihren Ansatz, damit ein skalierbarer industrieller Prozess daraus werden kann. Denn ihr Ziel ist die Ausgründung, auf die sie sich zusätzlich im Rahmen des ICM Early Ride Programms vorbereiten.
"Wir können energieintensive Leichtbaumaterialen durch einen biobasierten Werkstoff ersetzen und so im gesamten Lebenszyklus des Produkts deutlich CO2 einsparen", erklärt Klaus Heudorfer, Diplom-Ingenieur für Luft- und Raumfahrtechnik. Für dieses Ziel haben er und seine beiden Mitgründer bis auf die vorgeschriebenen Zusätze für den Brandschutz und die Einwirkungen extremer Klimaverhältnisse aus dem Naturfaserverbundwerkstoff, die sie auch bald durch eine andere Lösung ersetzen möchten, buchstäblich alle Kunststoffe rausgeholt. Flachsfasern und Bio-Polymere sind die tragenden Komponenten ihres Materials, das nicht nur stabile mechanische Fähigkeiten aufweist, sondern auch gegen die hygroskopischen Eigenschaften von Naturfasern geschützt ist. Wie genau dem Team das gelungen ist, bleibt ein Betriebsgeheimnis. "Unser Prozess erlaubt eine effiziente Herstellung von Naturfaserverstärkten Kunststoffen NFK mit besseren mechanischen Eigenschaften als viele andere Produktionsverfahren", sagt Mathias Engelfried, M.Sc. in Maschinenbau. Dabei kommt ein Naturwerkstoff heraus, der jetzt schon ein stabiler und nachhaltiger Ersatz für Aluminiumbleche und Glasfaserverbundwerkstoffe ist. Im Vergleich zu den Konkurrenzmaterialien kann der Naturstoff sogar umweltschonender recycelt werden. Die Gründer denken aber einen Schritt weiter und arbeiten auf möglichst lange Nutzungsspannen und den Einsatz von Wiederverwertungskreisläufen hin.
Nachhaltiger Leichtbau für die Mobilitäts- und Energiewende
Wie gut der Naturstoff ist, beweist die Transportbox, die Mathias zusammen mit dem Lastenradhersteller Radkutsche im Rahmen eines Forschungsprojekts gebaut hat. Dieser Demonstrator markiert den Anfang, aber nicht das Ende der vielseitigen Einsatzmöglichkeiten. Im Blick haben die Gründer zum Beispiel Innenraumbauteile von Bussen, Cockpitverkleidungen oder Sitzschalen von Autos, Möbel in Reisemobilen, Wannen für Lastenräder und in Zukunft sogar Bauteile von Windkraftanlagen. Theoretisch kommen alle Bereiche in Frage, in denen Leichtbau wichtig ist.